Bitte einsteigen und gut festhalten, es geht los.
Es geht rauf und runter, meist sehr abrupt und unerwartet.
Und du weißt nie: Bin ich schon ganz unten? Bin ich schon ganz oben? Was kommt als Nächstes?
Ich wurde Anfang der 1950er Jahre im Ruhrgebiet geboren, quasi im Schatten einer Kohlenzeche.
Am Tag meiner Taufe soll es nach Auskunft meiner Mutter ein starkes Gewitter gegeben haben – was hat Gott nur mit mir vor?
Ich bin jedenfalls Sternzeichen Zwilling und vieles passt da auf mich: Ich bin allem Neuen aufgeschlossen, gehe den Dingen gerne auf den Grund; wenn ich Spielzeug bekam, dann baute ich es erst mal auseinander, bevor ich damit spielte.
Kaum konnte ich laufen, hatte ich eine Modelleisenbahn, was ich auch beruflich beeinflusste.
Ja, ich war schon immer ein Träumer, nur Träumer werden die Sterne erreichen.
Ich habe es weit gebraucht, als Realist wäre ich längst auf der Strecke geblieben. Ich bin überzeugt davon: Mit beiden Beinen auf der Erde zu stehen und das Träumen nicht zu verlernen – es geht!
Im Jahre 1984 nahm die Achterbahn zum ersten mal volle Fahrt auf, als meine liebe Frau und ich uns gefunden hatten und schon bald das Jawort gegeben hatten. Der Höhenflug ging noch höher, als wir erfuhren, dass wir bald Eltern werden sollten.
Es war eine schöne Zeit: jeder Ultraschall war ein Ereignis! Wieder ein neues Foto für unsere Pinnwand! Obwohl auf den Schwarz-Weißfotos kaum was zu erkennen war.
Der Dok war auch zufrieden, alles in Ordnung, was soll schon schiefgehen?
Der Geburtstermin rückte näher und bald waren wir im Krankenhaus und es hieß: warten. Nach einem Tag Wehen machte man einen Kaiserschnitt, ich durfte mit ins OP! Als das Baby heraus genommen wurde sagte der Dok etwas zu erstaunt: „Oh!“
Nur ein kurzer Moment, der mir im Gedächtnis hängen geblieben ist, dem ich damals keine große Bedeutung beimaß. Ich dachte mir nichts dabei, warum auch? Unser Junge war groß, kräftig, aber sehr müde.
Nur ein kurzer Moment, der mir im Gedächtnis hängen geblieben ist, dem ich damals keine große Bedeutung beimaß. Ich dachte mir nichts dabei, warum auch? Unser Junge war groß, kräftig, aber sehr müde.
Glücklich nahmen wir ihn mit ins Zimmer, wir werden ihn Sven nennen. Die Achterbahn war geradewegs in den Himmel eingefahren. Wir waren die glücklichsten Menschen auf der Welt.
Bis einige Tage später der Dok mit einem versteinerten Gesicht in der Tür stand. Langsam kam er näher, so als müsse er jeder seiner Schritte genau überlegen.
Und dann erzählte er uns, dass unser Sven in der ersten Nacht einen Atemstillstand hatte, der zum Glück aber ohne Folgen geblieben sei. Und man habe einen Test gemacht, man hätte so einen Verdacht gehabt, nur so zur Vorsicht, denn unser Kind sei dafür untypisch. Leider habe sich der Verdacht bestätigt: Sven hat ein Down-Sydrom. Mir sagte das gar nichts, aber meine Frau ist vom Fach, die wusste Bescheid! Unser Sohn ist geistig behindert, er wird es sein Leben lang sein, er wird immer auf fremde Hilfe angewiesen sein!
Die Achterbahn stürzte aus dem Himmel in die unendliche Schwärze der Tiefe ab.
Nach einigen Tagen war die Taufe, ich sehe noch die traurigen Blicke meiner Eltern. Nein, ich hatte keine Schuldgefühle, ich hätte den Eltern gerne diese Resignation erspart.
Ja, ich war verzweifelt. Warum nur? Wir wollten uns doch an unserem Kind freuen.
Aber ich konnte mich nicht freuen. Ich war zu. Ja, ich hatte den Gedanken: Warum hat Gott dieses Kind nicht wieder zu sich genommen - an dem Abend, als er einen Atemstillstand hatte.
Weil Gott noch viel mit uns vor hatte, aber diese Erkenntnis kam erst viel später.
Die ersten Wochen zu Hause waren geprägt von Pflichtgefühl. Nach einigen Tagen war die Taufe, ich sehe noch die traurigen Blicke meiner Eltern. Nein, ich hatte keine Schuldgefühle, ich hätte den Eltern gerne diese Resignation erspart.
Ja, ich war verzweifelt. Warum nur? Wir wollten uns doch an unserem Kind freuen.
Aber ich konnte mich nicht freuen. Ich war zu. Ja, ich hatte den Gedanken: Warum hat Gott dieses Kind nicht wieder zu sich genommen - an dem Abend, als er einen Atemstillstand hatte.
Weil Gott noch viel mit uns vor hatte, aber diese Erkenntnis kam erst viel später.
Sven wollte versorgt werden, Tag und Nacht.
Es waren auch einige Untersuchungen mehr zu machen, die man sonst bei einem Baby nicht macht, wir fuhren hin und her.
Dann wurde es Gott wohl zuviel, er winkte mit dem Zaunpfahl:
In einem Krankenhaus ging eine Krankenschwester so ruppig mit unserem Kind um.
Das Kind kann doch nichts dafür, dass es behindert ist, dachte ich, wir sind doch da, um ein zu beschützen.
So fand ich meine Aufgabe und die Liebe hatte ihren freien Lauf.
Viel später werde ich einmal sagen: Unser Kind ist was besonderes, Gott sucht sich starke Eltern aus, denen er seine kleinen Engel anvertraut.
Die ersten Lebensjahre unseres Kleinen waren geprägt von ständigen Infekten - ein Krankheitssymptom .
Wir hörten irgendwann auf zu zählen, wie oft er Scharlach hatte, mindestens zwanzig Mal, dazu noch einige schwere Lungenentzündungen. Ohne Antibiotika hätte unser Sohn nicht überlebt, da waren wir uns sicher.
Die Achterbahn war wegen Wartungsarbeiten in der Werkstatt, so kam uns jedenfalls vor.
Trotz der vielen Arbeit, schafften wir einen Umzug in unser Haus.
Danach ging es gesundheitlich besser und die Achterbahn fuhr wieder steil bergauf; meine Frau wurde schwanger.
Da gibt es neue Gedanken: Was wird, wenn das Kind auch wieder behindert ist?
Uns war klar: Wir würden unserem ungeborenen Kind nicht gerecht, es gibt im Leben keine Umtauschgarantie.
Ich hoffte nur, dass wir nicht vor diese Entscheidung gestellt werden. Wir machten eine Fruchtwasseruntersuchung, um uns zu beruhigen, damit die Schwangerschaft so normal wie möglich ablaufen kann.
Es fanden sich keine Anzeichen einer Behinderung, aber was heißt das schon? Was kann nicht alles bei der Geburt schiefgehen?
Dann wurde unser Jens geboren, es ist nichts schief gegangen. Das sind so Tage, wo ich gerne in die Kirche gehe und eine Kerze anstecke, obwohl ich glaube, dass Gott überall ist.
Wieder war die Achterbahn hoch im Himmel, es war schön, wir wollten nie mehr nach unten. Nie würde es dazu kommen, so dachten wir jedenfalls. Wir hatten den Sinn des Lebens noch nicht voll verstanden.
Unser Jens war ein Chaot vor dem Herrn, was wir so sehr bei unserem behinderten Sohn vermisst hatte, bekamen wir doppelt und dreifach nachgeliefert. Aber das war gut so.
Unser Sven ging in den Kindergarten, in die Schule und er war kaum noch krank. In kurzer Zeit erreichte er eine normale Größe und ein normales Gewicht. Gut so, dachten wir.
Um die Jahrtausendwende musste er die Weisheitszähne entfernt bekommen. Dazu wird vorsorglich ein Antibiotikum gegeben.
Nach einigen Tagen bekam unser Sven hohes Fieber und in einigen Tagen ist er wieder fit, wurde uns gesagt.
Das Fieber ging immer höher und so bezog meine Frau mit dem Kleinen kurz vor Weihnachten ein Zimmer im Krankenhaus.
Man probierte verschiedene Antibiotika aus, aber kein Mittel brauchte eine Besserung, die Sorgenfalten beim Doktor wurden immer größer. Bald hatte das Kind Wasser in der Lunge. Man war durch, ratlos. Er musste Weihnachten im Krankenhaus verbringen, aber das war egal.
Wieder stand sein Leben auf Messers Schneide, nun aber war es keine Frage: Wir wollten das Kind, wir wollten das es gesund wird.
Wieder war die Achterbahn in den tiefsten Keller gefahren. Mir war schwindelig, ich war müde, ich wollte aussteigen. Aber es gab keinen Ausgang, es gibt nur einen Ausgang aus der Achterbahn, aber diese Option wollte ich niemals wählen. Also, festhalten, sehen was weiter kommt.
Jede Nacht hat meine Frau am Bett des Kindes gewacht. Sie erzählte mir, wie sein Atem immer mehr rasselte, für kurze Zeit setzte der Atem ganz aus. Tief in der Nacht sah sie einen hellen Schein in der Ecke hinter dem Kinderbettchen.
"Wenn du ihn haben willst, dann nimm ihn jetzt mit, damit er nicht länger leiden muss", sagte sie zu dem Engel. Sie bekam keine Antwort, zunächst noch nicht.
Der Dok hat alles versucht und dann noch mal einen Test gemacht, der letzte Strohhalm. Schon nach wenigen Stunden wirkte das Mittel, langsam ging das Fieber runter; mit jeden Zentelgrad wuchs unsere Hoffnung.
Ja, Gott hatte noch viel mit uns vor, zu Silvester waren Mutter und Kind wieder zu Hause.
Es schlossen sich einige ruhige Jahre an. Zeit zum Entspannen, die Kinder wurden langsam größer.
Ende 2008 bekam Sven eine Depression. Wir ließen es zu, dass der Doktor starke Medikamente verordnete. Es war zeitweise so schlimm, dass Sven Essen und Trinken verweigerte und nur noch apathisch ins Leere stierte.
Im Laufe der Jahre hat sich die Depression gebessert, aber ganz überwunden ist sie immer noch nicht.
Über die Ursache tippe ich immer noch im Dunklen, statistisch erkranken Menschen mit Down-Syndrom etwa zehn mal häufiger an Depressionen.
Nichts ist selbstverständlich. Jeder Moment ist ein besonderer Augenblick
Genug für heute, Fortsetzung folgt
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